Hernández-Transfer - Bayern sucht den Superstar

Nichts Halbes und nichts Ganzes – Der FC Bayern auf Selbstsuche

Der Rekord-Wechsel ist perfekt! Der FC Bayern München greift tief in den Geldbeutel und sichert sich die Dienste des französischen Weltmeisters Lucas Hernández. Der Verteidiger von Atletico Madrid kommt für die festgeschriebene Ablöse von 80 Millionen Euro – neuer Rekord in der Bundesliga. Wie der amtierende deutsche Meister diese Woche verkündete, unterschrieb der 23-jährige Nationalspieler einen Fünfjahresvertrag an der Säbener Straße. 90plusdrei nimmt den Transfer unter die Lupe. 


Endlich ist es soweit, Bayern holt seinen nächsten Topstar…oder?

Der Transfer von Lucas Hernández wird zu Recht umjubelt. Der variable Verteidiger war sehr begehrt auf dem Markt. Er ist jung, schnell und talentiert – ein moderner Defensivspezialist mit gutem Spielaufbau und dem absoluten Siegeswillen. Das Bayern-Gen scheint er bereits innezuhaben.

Der Transfer ist eine Reaktion auf die verkorkste Champions-League-Saison, ein Signal an die Spitzenteams in Europa. Doch die Verpflichtung von Lucas Hernández ist auch symbolisch für die Phase, in der sich der FC Bayern momentan befindet.

Bayern sucht den Superstar

Liverpool hat Salah, Manchester City hat De Bruyne, Manchester United hat Pogba, Tottenham hat Kane, Juve hat Ronaldo, Barca hat Messi - und Bayern hat…Lewandowski? Thiago?

An der Säbener Straße arbeitet man seit Jahren an der Nachfolge für Stars wie Vidal, Robben und Ribery. Auf der Suche nach neuen Aushängeschildern haben Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge seit 2015/16 insgesamt 285,5 Millionen Euro ausgegeben. Mit dabei echte Entdeckungen wie Joshua Kimmich (8,5 Millionen) sowie gestandene Nationalspieler wie Mats Hummels (35 Millionen). 


Nicht dabei: Ein neuer Topstar. Robert Lewandowski ist wohl der einzige Spieler im aktuellen Bayern-Kader, den man als „Superstar“ bezeichnen kann. Der Rest des Teams zeigt zwar Potential, bewegt sich aber eher zwischen den Labels „Top-Talent“ und „internationale Klasse“. 

FCB: Vom Champions-League-Sieger zum Ausbildungsverein?

Ein Blick auf die Transferhistorie des Rekordmeisters zeigt: Bayern hat es in den letzten Jahren versäumt, einen echten Brocken zu holen. Stattdessen probierten die Münchener eine Transferpolitik aus, die eigentlich untypisch für die Bayern ist: Talentförderung.

In den letzten Jahrzehnten hat man sich stets mit den besten Spielern aus der Bundesliga verstärken können. Hinzu kam der ein oder andere Star wie Arjen Robben, Franck Ribery, Xabi Alonso oder Arturo Vidal. Ganz nach der alten Leier: Die Bayern kaufen nur fertige Spieler. In den letzten fünf Jahren hingegen wurden vermehrt hohe Summen für unfertige Talente ausgeben. Dabei lag das durchschnittliche Alter der (signifikanten) Neuverpflichtungen in vier der vergangenen fünf Spielzeiten immer unter 25 Jahren – das gab es beim FC Bayern in den letzten 30 Jahren nicht (siehe Diagramm). Insgesamt 105,5 Millionen flossen z.B. für Kingsley Coman (21 Millionen), Serge Gnabry (8 Millionen), Correntin Tolisso (41,5 Millionen) oder Renato Sanches (35 Millionen). Diese haben ihren Marktwert zwar größtenteils vervielfacht und in vielen Spielen ihr Genie aufblitzen lassen, doch auch sie konnten die Star-Lücke bisher nicht füllen. 


Die Zeiten, in denen man einen Robben für 25 Millionen, einen Ribery für 30 Millionen, einen Vidal für 37 Millionen bekommt, sind vorbei. Stars kosten Geld, das merkt nun auch der Rekordmeister. Dabei holen die Bayern mit Lucas Hernández gar keinen Topstar. Klar, der Junge kann kicken. Doch auch Hernández ist kein fertiger Spieler – genauso wenig wie Benjamin Pavard, den es im Sommer ebenfalls an die Säbener Straße zieht. Der FC Bayern setzt seine Verjüngungskur und Talent-Rekrutierung also weiter fort. Für die Bundesliga wird es auch in Zukunft reichen. In der Champions League warten jedoch Jahr für Jahr Topklubs gespickt mit Stars, die am Ende den Unterschied ausmachen.

Fakt ist: Lucas Hernández ist kein Messi, Mbappe, Neymar oder Ronaldo. Hernández passt noch nicht mal in ein Regal mit Griezmann, Salah, Hazard, Dembele oder Sterling. Doch genau so ein großer Name fehlt den Bayern, um wieder ernsthaft mit Europas Spitzenklubs konkurrieren zu können. Die Verpflichtung von Hernández ist ein Schritt in die richtige Richtung, ein Signal an die Riesen Europas: Auch der FC Bayern schreckt nun nicht mehr vor großen Ablösen zurück. Auf dem Transfermarkt ist wieder mit dem deutschen Rekordmeister zu rechnen – auch bei dreistelligen Millionensummen.

Große Summe, geringes Risiko?

Ob sich die 80 Millionen für Hernández lohnen, wird sich zeigen. Fakt ist: Ein neuer Rekord-Transfer war aufgrund der rasanten Entwicklung der Ablösesummen in den letzten Jahren auch für den FC Bayern unvermeidbar. Dennoch birgt eine solch hohe Summe ein gewisses Risiko. Ein Blick auf ähnliche Transfers sollte den Bayern jedoch Hoffnung machen.

Denn als der FC Liverpool 2018 eine vergleichbare Summe für Virgil van Dijk (84,6 Millionen) auf den Tisch legte, reagierte die Fußball-Welt auch mit Skepsis und fragenden Blicken. Doch van Dijk entwickelte sich unter Trainer Jürgen Klopp zu einer der besten Innenverteidiger der Welt. Dabei war der Holländer zum Zeitpunkt seines Wechsels bereits 26 Jahre alt und hatte weniger Erfahrung als Lucas Hernández.

Die Ablöse für den Weltmeister ist zwar groß, doch das Risiko relativ gering. Aufgrund seines jungen Alters, seines enormen Potentials und seiner Rolle in der französischen Nationalmannschaft hat Hernández einen hohen Wiederverkaufswert. Sollte es in der Allianz-Arena nicht klappen, wird sich schnell ein Käufer finden, der bereit ist, Lucas Hernández für eine ähnliche Summe zu verpflichten.

Die 80 Millionen hätte man hingegen anders ausgeben können. Griezmann, Dybala, Eriksen – der FC Bayern muss sich auch an die richtig großen Namen wagen. Wer ein Top-5-Klub in Europa sein will, der muss auch dementsprechend handeln. Doch wer weiß, vielleicht ist die Shopping-Tour der Bayern noch lange nicht am Ende…


Image attribution
Lucas Hernandez: Антон Зайцев, FRA-ARG (8), Collage, CC BY-SA 3.0
Arturo Vidal: Rufus46Xabi Alonso Arturo Vidal Training 2017-05 FC Bayern Muenchen-1, Collage, CC BY-SA 3.0
Arjen Robben: Football.ua, Arjen Robben v Shakhtar 2015, Collage, CC BY-SA 3.0
Franck Ribery: Rufus46Franck Ribery Training 2016-11 FC Bayern Muenchen-10, Collage, CC BY-SA 3.0
Question mark: Kalsom chemanQuestion-mark-face, Collage, CC BY-SA 4.0
Bayern logo: Fußball-Club Bayern München e. V. (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:FC_Bayern_München_logo_(2017).svg), „FC Bayern München logo (2017)“, Collage, https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/legalcode

Kommentare

  1. Viel Geld für fertige Stars scheint im Moment die gängige Lösung für den sicheren Erfolg. Manchmal, leider nicht durchhaltefähig, klappt es auch mit wenig Geld für Talente, siehe BVB und Atletico..

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